
Autoreninterview mit Stephan R. Bellem
Hallo ihr Lieben!
Wer in den letzten Tagen auf meinem Blog unterwegs war, hat hoffentlich meine Rezension zu „Die Seele des Wächters“ von Stephan R. Bellem gelesen und danach entweder direkt das Buch gekauft oder es zumindest auf seine Wunschliste gepackt, denn wer dieses Buch nicht liest, verpasst definitiv was.
Eben um euch das Buch und auch den Autor ein bisschen näher zu bringen, habe ich Stephan mit einigen Fragen gelöchert, so dass ihr nun hier das fertige Interview lesen könnt.
Die Fragen habe natürlich ich gestellt und die Antworten sind von Stephan.
Viel Spaß beim Lesen!
Magst du dich kurz selbst vorstellen?
Also, ich bin Stephan, schreibe seit über zwanzig Jahren bereits Geschichten auf. Und seit über zehn Jahren werden sie auch veröffentlicht. Was mache ich, wenn ich nicht am PC sitze und tippe? Nun, in meiner Freizeit – damit rechnet keiner – lese ich gern. Aber ich habe auch eine Schwäche für gutes Essen und liebe es zu kochen. Da meine Frau auch schreibt, können wir unsere oft seltsamen Arbeitszeiten super aufeinander abstimmen. Und manchmal ist es so kitschig, wie man es sich jetzt vorstellt. Dann sitzen wir gemeinsam auf dem Sofa und werfen uns gegenseitig Plotideen an den Kopf. Ansonsten habe ich eine Schwäche für gute Brettspiele, da am liebsten die Sorte, in der alle Spieler gemeinsam gegen die Spielmechanik antreten.
Wie bist du auf die Idee zu „Die Seele des Wächters“ gekommen? Gab es den entscheidenden Geistesblitz beim Zähneputzen (oder wobei auch immer) oder ist die Idee über längere Zeit hin nach und nach gekommen?
Puh, ich kann gar nicht genau sagen, wann ich die Idee hatte, denn die ersten Zeilen des Romans entstanden bereits 2008, wenn ich mich nicht irre. Ich wollte (liebenswert) verrückte Gnome und ihre Erfindungen in den Mittelpunkt stellen. Aber ich wollte die Handlung nicht zu sehr ins witzige Lager ziehen. Daher brauchte ich einen großen Konflikt. Und das Bild einer Welt, auf der plötzlich fremde Wesen landen, ging mir nicht aus dem Kopf. Meistens werden fremde Rassen ja nur aus der Sicht von Menschen beschrieben. Die bösen Orks, die plötzlich ins Land einfallen usw. Hier wollte ich den Spieß mal umdrehen und die Menschen auch mehr an unsere Wirklichkeit anlehnen. Entdecken, Erkunden, Erobern. Wobei es nicht ganz so heftig ist. Und die Frage, wie man mit einer fremden Kultur umgeht, gepaart mit altem Glaubenssystem und den Erfindungen, die den Beginn des Dampfzeitalters einläuten – da fügten sich die Teile plötzlich alle zusammen.
Wie bist du auf die Namen der Charaktere gekommen? Schließlich sind die doch eher ungewöhnlich 😀
Die Namen … öhm … die sind ja immer ein beliebtes Thema in Fantasy-Geschichten. Möglichst unaussprechlich und viele Apostrophe sind auch immer gut. Manche Namen waren an ihr weltliches Gegenstück angelehnt. Duibel soll ähnlich zum Dübel sein, auch wenn man die Vokale bei meinem Gnom nacheinander ausspricht. Aber immerhin hat er ein Wandhalterungssystem für Schrauben erfunden. Ähnlich der Zwerg Morfius, der herausfand, dass Goblins immer aufs Gesicht fallen … wie Marmeladenbrote.
Klassischerweise spiele ich mit Silben und überlege mir, wie der Name klingen soll. Weich oder hart? Kraftvoll oder zurückhaltend? Im Namen soll sich der Charakter bereits spiegeln. Der Zwerg Kerellic hat schon im Klang des Namens etwas sprödes, hartes, aber auch zielstrebiges. Man weiß sofort, dass man sich nicht mit ihm anlegen will.
Dann versuche ich, bspw. Elfennamen ein ähnliches Klangbild zu geben. Damit man sie direkt von den Zwergen unterscheiden kann.
Aber »Ich werfe Silben in den Raum, bis mir was gefällt«, ist auch keine falsche Antwort.
Hattest du eigentlich ein bestimmtes Land im Kopf, als du Rhilok erschaffen hast?
Nein. Eine Landesvorgabe hatte ich bei Rhilok nicht. Ich habe mir vielmehr eine Landmasse ausgedacht, die zu meiner Geschichte passt. Also das Bergmassiv mit Invar in der Mitte – Orks, Trolle und Goblins nördlich davon, Elfen, Zwerge und Gnome darin und südlich. Die Landkarte habe ich aber erst kurz vor Abschluss des Romans gezeichnet, bis dahin hatte ich die grobe Form nur im Kopf.
Ich fand Rhilok klang auf jeden Fall interessant, auch wenn man davon nicht ganz so viel „gesehen“ hat wie von Invar.
Ist dir irgendwas an der Geschichte schwer gefallen? Bestimmte Szenen oder Charaktere bei denen du dir die Haare gerauft hast?
Ja, Rhilok hat noch viel Platz, vielleicht zieht es mich einmal dorthin zurück. Aber fürs Erste dürfen die ihre Probleme unter sich ausmachen.
Hmmm. Das ist gar nicht so leicht. Es gibt Punkte, da fallen einem Charaktere leichter als andere. Und in der nächsten Szene kann sich das völlig drehen. Kerellic und Rhaflit waren »einfacher«, wenn man es so will. Die beiden hatten eine so tolle Chemie, dass ihr Teil der Geschichte sich quasi von allein erzählt hat. Aber Culnauir und die Blutklinge, die waren manchmal recht verschlossen. Auch Gnitzlik war nicht immer einfach, denn er ist einerseits genial, andererseits aber auch mit einem nahezu kindlichen Eifer bei der Sache, hier die Balance zu finden, war nicht immer leicht.
Aber ich glaube, irgendwann hatten sie alle mal ihren bockigen Tag, da ging dann nicht viel voran. Die Szene zwischen Duibel und Gnitzlik in der Halle der Ingenieure fiel mir zu Beginn nicht leicht, ehe ich die Halle im Kopf weiter einrichtete mit den Statuen verdienter Gnome.
Das ist auch immer mein Indikator dafür, dass noch etwas fehlt. Wenn mir eine Szene nicht plastisch vorm inneren Auge auftaucht, weiß ich, dass mir noch Informationen fehlen. Sei es zum Charakter oder zu seiner Umgebung. Und dann muss ich »nur« das finden, was noch nicht rund ist, damit ich wieder wie ein Beobachter in der Ecke sitzen und alles mitschreiben kann.
Obwohl du es ja schon ein bisschen selbst angesprochen hast: könntest du dir vorstellen noch einen Folgeband zu schreiben, auch wenn die Handlung eigentlich schon abgeschlossen ist? Und wenn ja wie bald?
Also … ich habe ja in diesem Roman nur ganz am Rande das Glaubenssystem der Menschen mit ihren Tierkreiszeichen gestreift und was es damit auf sich hat. Das wäre ja durchaus ein Thema, das ich noch einmal aufgreifen wollen würde.
Aber momentan fehlt mir noch die zündende Idee, wie es dort weitergehen kann. Womöglich sehen wir einen Zeitsprung von einigen Jahren. Erleben wie Rhilok sich dann gewandelt hat. Ich will es nicht ausschließen, aber aktuell sind es (noch) bloß einige Stichpunkte in einem Notizbuch. Als nächstes geht es erst einmal ins London des ausgehenden 19. Jahrhunderts.
London klingt auch toll (meine absolute Lieblingsstadt), aber bitte schreib noch mehr zu Rhilok! 
Meine nächste Frage wäre dann auch direkt: wie bist du auf die Idee gekommen, so „viele“ theologische Aspekte mit in deine Geschichte einzubinden? Theologie kommt in Büchern und vor allem (zumindest soweit ich das mitbekommen habe) in High Fantasy Büchern doch eher wenig vor.
Das Glaubenssystem ist immer ein spannendes Thema. Auch in unserer Weltgeschichte wurden unzählige (vielleicht sogar die meisten) Kriege wegen Religionen geführt. Oder die Religion zumindest vorgeschoben. Ich selbst würde mich nicht als sonderlich religiös betrachten, aber für mich wird eine Fantasywelt erst komplett, wenn ihr auch ein Glaubenssystem zugrunde liegt. Im Falle von Rhilok habe ich mich dazu entschlossen, den Glauben sehr stark an die Geografie und die dort lebenden Völker abzustimmen, das erschien mir nur richtig. Und aus dieser Konstellation hat sich dann quasi ganz natürlich ein Konflikt ergeben. Insofern sind Glaubensaspekte immer wahnsinnig spannend.
Was ist denn dein Lieblingszitat aus deinem Buch?
Ich glaube, das ist »Mögen die Sterne dich leiten«. Es drückt diese tiefe Melancholie eines bestimmten Charakters aus, seinen Wunsch nach Freiheit und gleichzeitig Geborgenheit – einem Platz in der Welt.
Wann gibt es denn wieder was zu lesen? Worum wird es gehen?
Aktuell mache ich alle meine früheren Romane wieder verfügbar. Den Anfang macht da »Portal des Vergessens«, ein Urban Fantasy Roman. Stück für Stück werden so die vergriffenen Geschichten wieder erhältlich sein.
Ein neuer Roman ist aber bereits in Arbeit. Und da verschlägt es den Leser an der Seite von diesmal (nur) zwei Protagonisten ins London des Jahres 1896. Lewis van Allington und Katelyn Shaw. Er ist ein bekannter Autor, der Kriminalfälle löst und dann darüber schreibt. Sie entstammt einer reichen Stoffhändler-Familie aus Manchester und hat dort unter Pseudonym für eine Zeitung geschrieben. Als sie ihre Nase aber in die korrupten Geschäfte der örtlichen Magnate gesteckt hat, wurde es Zeit für einen Tapetenwechsel. Nun möchte Kate London im Sturm erobern und Reporterin werden.
Als immer wieder Frauen in der Themse ertränkt werden, beginnen die beiden mit ihren Ermittlungen, die sie tief in einen Sumpf aus Geheimgesellschaften und Schwarzer Magie führen. Und schon bald müssen sie sich fragen, ob sie es überhaupt noch mit einem weltlichen Gegner zu tun haben.
Wann der Roman erscheint? Das kann ich leider noch nicht sagen, denn dafür müsste ich erst einmal fertig werden.
Vielleicht klappt es noch spät in diesem Jahr. Ich hoffe es und gebe alles.
Da du am Anfang erwähnt hast, dass du gerne Brettspiele spielst: welches Brettspiel würdest du denn empfehlen? Oder welche spielst du am liebsten/sehr gerne? 
Eldritch Horror ist super. Eine Truppe Ermittler gegen die Erweckung der Alten. Legenden von Andor ist wunderschöne High Fantasy. Und aktuell spielen wir Detective. In diesem Spiel muss man immer einen Fall lösen, hat nur begrenzte Zeit und muss aus den Informationen die richtigen rausfiltern. Folgt man noch einer anderen Spur und bekommt vielleicht Hinweise auf das große Ganze oder hält man sich stringent an eine Spur. Wahnsinnig spannend.
Was liest du denn gerne? Welches Buch würdest du empfehlen, dass man unbedingt gelesen haben sollte?
Uff. ich lese am liebsten Fantasy und Krimis. Vielleicht werde ich die beiden Genre auch mal mischen.
Ein Buch, das man unbedingt gelesen haben sollte, ist »Das Schwarze Uhrwerk« von Magali Volkmann. Das ist eines der Bücher, die ich als Lektor begleiten durfte, und es ist ein großartiger Mix aus Steampunk, »V wie Vendetta« und einer tollen Liebesgeschichte.
Aktuell lese ich gerade »Das Erwachen des Feuers« von Anthony Ryan. Ebenfalls mit Steampunk-Einschlägen und wahnsinnig toll geschrieben.
Was war bisher dein schönster Moment als Autor?
Ach, da gab es so viele schöne Momente. Am Anfang denkt man ja, dass die Momente, da ein Buch einen Verlag findet, die schönsten sind. Dann ist es immer wieder der Moment, in dem man das neue Buch zum ersten Mal in der Hand hält.
Aber ich habe gemerkt, dass es immer die Momente sind, in denen mir Leser schreiben, dass ihnen die Geschichte gefallen oder sie sogar tief berührt hat. Da wachse ich immer ein kleines Stückchen.
Wie du ja eben schon erwähnt hast, lektorierst du auch. Machst du das hauptberuflich? Für jeden der es anfragt oder für bestimmte Verlage?
Ja, ich bin hauptberuflich Autor und Lektor. Mal überwiegt die eine Tätigkeit, mal die andere. In den letzten Jahren habe ich meistens für Verlage gearbeitet, aber prinzipiell kann jeder meine Dienste buchen. Allerdings bewerbe ich das (noch) nicht offen auf meiner Webseite.
Schaffst du es denn trotzdem noch wirklich nur zum Vergnügen zu lesen oder schleicht sich dann doch öfters der Blick des Lektors ein?
Das war zu Beginn tatsächlich schwierig. Mittlerweile geht es, allerdings muss zwischen Vergnügen und Arbeit genug Zeit liegen. Sprich, ich muss lesen, bevor ich arbeite, oder dazwischen muss eine Pause sein. Der nahtlose Übergang von Arbeit zu Vergnügen gelingt mir meistens nicht.
Und dann jetzt als letzte Frage: hast du ein paar Tipps für Leute, die gerade mit schreiben anfangen? Fürs Veröffentlichen? Plotten?
Ok, doch als vorletzte Frage: wie gehst du beim Plotten/Worldbuilding vor?
So genau kann ich das gar nicht sagen, wie ich da vorgehe. Ich habe viele Ideen und schaue dann, was gerade passt. Oft ergeben sich die beiden Dinge gleichzeitig. Also, Plot und Welt. Das eine bedingt das andere. Ich kann schlecht über einen Perlentaucher schreiben, wenn ich mir eine reine Wüstenwelt ausdenke … wobei die Perlen da natürlich unter dem Sand schlummern könnten und die »Taucher« würden sich auf andere Arten durch den Sand wühlen/graben … das klingt irgendwie spannend.
Und so ergeben sich Dinge. Ich habe ein Bild im Kopf, das ich beschreiben möchte. Und dann würde ich fragen: Woher kommen die Perlen? Wieso ist da nur Sand? Woran glauben die Menschen? Warum sind Perlen wertvoller als Wasser?
Und dann mischt man immer wieder wild Ideen durcheinander.
Das sind ja gleich drei Fragen in einer!
Mein wichtigster Rat für Leute, die mit dem Schreiben beginnen: Hört nie wieder damit auf!
So viele geben nach den ersten Rückschlägen auf, aber Schreiben ist eben keine göttliche Fügung, sondern zum größten Teil Handwerk. Und niemand war auf Anhieb ein Meister seines Fachs. Übung. Es braucht stete Übung.
Und Lesen ist wichtig. Verschiedene Genre, verschiedene Autoren – lest viel, das bildet eure Sprache.
Und als letzter Tipp: Geht mit offenen Augen durch die Welt. Und am besten durch verschiedene Länder. Schaut weniger RTL und mehr Dokus
Euer Hirn braucht Input. Kreativität verkümmert, wenn man sie nicht füttert.
Ich plotte viel weniger stringent als andere Autoren. Ich bin mehr der Beobachter, Entdecker. Ich entdecke den Plot und meine Figuren. Und am liebsten schreibe ich mit, als wäre ich ein unsichtbarer Begleiter. Sicher, ich kenne viele wichtige Punkte. Bspw. das Ende. Bei »Die Seele des Wächters« wusste ich vom ersten Wort an, dass der Konflikt sich so auflösen wird. Welche Figur dann überlebt oder nicht – das sind Feinheiten. Aber das Gesamtbild sollte schon eine Kontur haben. Ich wusste auch, dass Rhaflit und Kerelleic in der Menschenwelt stranden. Aber die erste Begegnung mit Vertretern dieser Spezies habe ich völlig aus dem Bauch heraus geschrieben. Ich habe Rhaflit und Kerellic einfach sie selbst sein lassen.
Hört auf eure Charaktere, lernt sie vorher kennen, dann erzählen sie euch auch ihre Geschichte.
Beim Veröffentlichen gilt auch: Nicht aufgeben. Absagen nicht persönlich nehmen. Darauf gefasst sein, dass das Buch kein Millionenbestseller wird. Die meisten Schriftsteller können allein vom Schreiben nicht leben. Plant entsprechend. Seid geduldig. Fürs Schreiben gibt es keine Altersbegrenzung, also bleibt am Ball. Es ist ein Marathon.
An dieser Stelle nochmals vielen Dank an Stephan für das Interview, es hat mir sehr viel Spaß gemacht!
Vielen Dank auch für die Fotos, die du mir für den Beitrag zur Verfügung gestellt hast.
Euch allen noch einen schönen Tag und ich hoffe ihr hattet auch Spaß!
Alles Liebe,
Sonja

