
Interview mit Stephan R. Bellem – „Ruf der Rusalka“
Hallo ihr Lieben!
Wer meinen Blog regelmäßig liest, wird vermutlich in letzter Zeit meine Begeisterung für „Ruf der Rusalka“ von Stephan R. Bellem mitbekommen haben.
Um euch das Buch noch ein bisschen näher zu bringen, habe ich ein Interview mit Stephan geführt.
Wer meine Rezension zu „Ruf der Rusalka“ lesen möchte, schaut am besten hier vorbei.
Freut euch also auf viele Hintergrundinformationen und spannende Anekdoten rundum „Ruf der Rusalka“ – los geht’s!
Magst du dich kurz vorstellen, lieber Stephan?

Hallo, ich bin Stephan, 38 Jahre alt und schreibe seit 25 Jahren Geschichten auf, die mir so im Kopf herumspuken. Irgendwann wurde mir klar, dass ich so viel Spaß am Schreiben habe, dass ich es zu einem dauerhaften Teil meines Lebens machen möchte. Also, ich denke, man kann schon von Berufung sprechen. Oder Sucht 😉
Wie bist du auf die Idee zu „Ruf der Rusalka“ gekommen?
Die Grundidee existiert schon lange. Da ich für meine Geschichten gerne recherchiere (allerdings selten so viel wie für »Ruf der Rusalka«), besitze ich jede Menge Sachbücher zu diversen Themen. Auch eines über verschiedene Mythen und Sagen rund um den Globus. Und die Rusalka als mythologische Figur aus dem slawischen Raum hat mich von Anfang an fasziniert. Das war bestimmt vor über zehn Jahren (manchmal wachsen Ideen wirklich lange, ehe ich sie aufschreibe). Ungefähr damals habe ich in Stichworten den Beginn des Romans skizziert. Letztes Jahr habe ich die Idee in einem Notizbuch wiedergefunden. Und plötzlich wusste ich, dass ich die Geschichte endlich erzählen muss. Und welche Themen ich damit transportieren will.
Wie genau kommst du an dein Recherchematerial?
Das ist unterschiedlich. Zum einen kaufe ich gerne Wissens-Magazine wie Geo Epoche oder Zeit Geschichte. In Buchhandlungen gibt es immer mal wieder Sachbücher in den Restekisten, da stöbere ich immer durch. Manche Bücher kaufe ich auch ganz gezielt. Für meinen Urban Fantasy Roman »Die Wächter Edens« habe ich mir damals gezielt die Apokryphen, sowie A Dictionary of Angels zugelegt. Mittlerweile habe ich mehrere Sachbücher mit einem Überblick über diverse Mythologien und Sagen. Dabei hatten es mir die nordischen Mythen lange Zeit sehr angetan. Aber es lohnt sich, immer mal über den Tellerrand hinauszublicken.
Wer jetzt denkt, ich hätte die Bücher alle komplett gelesen, der irrt aber. Gerade die großen Wälzer reißen viele Themen meist nur an. Die Bücher überfliege ich dann und sobald ich ein Thema finde, das spannend klingt, bohre ich tiefer.
Hat die Recherche länger gedauert, als das Buch zu schreiben bzw. wie viele Stunde hast du (geschätzt) für die Recherche gebraucht?
Das kann ich ganz schwer sagen. Aber es war sehr lange. Sicher über hundert Stunden. Vermutlich sogar über zweihundert. Die Sache ist ja so: Wenn man eine Fantasywelt aufbaut, die sich einige Elemente einer bekannten Mytholgie leiht, ist man insgesamt dennoch recht frei.
Schreibt man Urban Fantasy, in die man Elemente einer bestimmten Mythologie einflechten will, ist es meistens sogar ratsam, nicht zu tief einzusteigen. Es ist wichtig, dass die recherchierten Fakten korrekt sind. Aber man kann auch viele Dinge freier interpretieren, denn man schreibt ja schließlich keine wissenschaftliche Abhandlung. Ich finde es dann nur immer schön, wenn man darauf auch hinweist, denn »Fehler« oder kreative Freiheiten bekommt man sonst gerne um die Ohren gehauen. Und natürlich gilt: Wenn ich mich einem Stoff verschreibe, also bspw. dem Thema »Nordische Götter in unserer Zeit«, dann ist es natürlich für Kenner der Materie schön, wenn ich pfleglich damit umgehe und mir Mühe gebe.
Es gibt also diesen feinen Grad von zu wenig Recherche vs. zu wenig kreative Freiheit.
Bei der Rusalka hatte ich aber die historische Komponente. London 1895 ist ein realer Ort, der real existierte. Und dem wollte ich Rechnung tragen.
Viele Dinge waren einfach zu finden: Währung, durchschnittliches Einkommen, sogar Lebenshaltungskosten sind gut dokumentiert. Andere Sachen waren schwieriger.
Für Kates Artikel, der auf dem Cover abgedruckt ist, musste ich plötzlich Dinge wie Schulpflicht recherchieren.
Später wird ein Attentatsversuch auf den Deutschen Kaiser erwähnt. Den (und einige andere) hatte es tatsächlich gegeben, und ich suchte ihn aus, weil er perfekt zur Geschichte passte, aber da hab ich bestimmt ein bis zwei Stunden mit der Recherche verbracht.
Für ein bis zwei Sätze im Roman …
Aber so ist das eben manchmal. Ich hatte riesigen Spaß damit. Auch in dem Wissen, dass viele Leser vermutlich nicht erkennen, dass ich mich da auf die Ereignisse am Niederwalddenkmal beziehe und sie (mit ein wenig künstlerischer Freiheit) in meiner Geschichte eingebaut habe. 😉
Aber so kommt natürlich einiges zusammen.
Wieso ist es denn genau das viktorianische London 1895 geworden? Wäre für dich auch ein anderer Ort/eine andere Zeit in Frage gekommen?
Das viktorianische Zeitalter ist einfach rundherum faszinierend. Die Menschheit war richtig im Aufbruch. Strom, Telefon, Wasser – all das wurde immer mehr Menschen verfügbar gemacht. Erste großflächige Sozialgesetze wurden erlassen. Es ist eine Zeit des Wandels und des Widerspruchs. Vielleicht wird man in hundert Jahren ähnliche Dinge über den Jahrtausendwechsel sagen, aber da fehlt mir vielleicht einfach der zeitliche Abstand, um es so zu sehen.
London deswegen, weil es einfach DIE Metropole jener Epoche ist. Und eine meiner Lieblingsstädte. Natürlich wäre gerade Prag auch eine Idee gewesen, gerade wo ich mit der Rusalka eine slawische Sagengestalt aufgreife. Aber die Transformation in einen anderen gesellschaftlichen Kontext hat mich zusätzlich gereizt.
Eine andere Zeit stand nie zur Debatte. Nur die genaue Jahreszahl war nicht sicher. Die hat sich nach der anfänglichen Recherche ergeben. Und dann fand ich es lustig, dass sowohl in der Geschichte, als auch dieses Jahr, der 9.9. auf einen Montag gefallen ist. 😉
Welche Aspekt fandest du denn am spannendsten? Die Gesellschaft? Politik? London zu der Zeit?
Was ist die kurioseste Geschichte/der kurioseste Fakt, den du dabei entdeckt hast?
Ich fürchte, ich kann mich da gar nicht auf eine Sache festlegen. Vielleicht die ersten U-Bahnen, die noch mit Dampfloks betrieben wurden. Das ist schon verrückt. Aber es spiegelt für mich einen urmenschlichen Drang nach Innovation. »Wir wollen Züge unterirdisch fahren lassen, weil es ein besseres Stadtbild erschafft und schnellere Fortbewegung ermöglicht. Also machen wir es.« Dicht gefolgt von der Tatsache, dass die Morning Post tatsächlich damals (1881) mit Lady Florence Dixie die erste Frau in ein Kriegsgebiet geschickt hat. Kate kämpft im Roman an vorderster Front einer Frauenbewegung, die sich im Lauf der Geschichte überall erhoben hat. Und immer standen ihr die machthabenden entgegen und versuchten, den Status Quo (in dem Männer deutlich mehr Macht als Frauen haben) zu zementieren. Traurig ist, dass wir es auch nach über 100 Jahren nicht geschafft haben, für echte Gleichheit zu sorgen …
Und ich glaube, das kurioseste ist das englische Briefporto, das bei einem Penny pro Brief lag. Und das Jahrzehnte lang. Man begründete es damit, dass so auch Leute aus den ärmeren Schichten Teilhabe am Briefverkehr haben könnten, wodurch mehr Briefe verschickt wurden und ein Profit geschlagen werden konnte.
Schon erstaunlich, was für eine Zeit des Umbruchs das damals war.
Wenn du einen Tag mit Lewis und einen mit Kate verbringen könntest, was würdest mit ihnen machen?
Mit Lewis würde ich wohl am liebsten eine Tasse Tee trinken. In seinem Arbeitszimmer. Gerne mit Dietrich als Gesellschaft. Und auf jeden Fall müsste Chester dabei sein. Einfach nur einen gemütlichen Nachmittag verbringen. Dabei ein wenig über Gott und die Welt reden. Ich glaube, das wäre entspannend und geistreich zugleich. Mit Kate würde ich gerne durch London spazieren. Kleine Cafés ausprobieren, die Sehenswürdigkeiten genießen. Ich glaube nämlich, dass sie das vor lauter Aufregung viel zu selten tut. Und dann ist sie ein Mensch, der solche Dinge zu schätzen weiß. Die warme Sonne im Gesicht. Ein frischer Wind um die Nase. Völlig verloren im Moment.

Welche Erfindung aus dieser Zeit findest du am besten/tollsten?
Am besten – auch wenn sie schon eine Weile vor dem Roman passierte – finde ich fließendes Wasser in den Häusern. Ich glaube, ein funktionierendes Wasser- und Abwassersystem hat die Menschheit unheimlich vorangebracht. Und am verrücktesten – auch wenn du danach nicht gefragt hattest – finde ich den Zeppelin. Ein mit brennbarem Gas gefüllter Ballon, der von Verbrennungsmotoren angetrieben wird. Was konnte da schon schiefgehen?
War es für dich schwierig dich in Lewis und seine Probleme hineinzudenken? Oder ist dir generell irgendwas schwer gefallen beim Schreiben?
Schreiben fällt mir immer schwer. Also nicht in dem Sinn, dass ich um jedes einzelne Wort ringe – wobei das manchmal durchaus vorkommt –, sondern dass ich versuche, dem Thema gerecht zu werden. Bei Lewis‘ Problemen war das eine echte Herausforderung. Ich habe viel zu dem Thema gelesen, Interviews, medizinische Berichte. Eben so viel, bis ich mir selbst zugetraut habe, das Thema anzugehen, ohne völlig danebenzuliegen. Natürlich kratze ich es nur an. Ich würde mir aber auch nie anmaßen, jetzt plötzlich über das Thema referieren zu können, oder Experte zu sein. Im Gegenteil – die Recherche offenbart auch immer wieder wie viel man noch nicht weiß und vermutlich nicht wissen wird. Wir kratzen häufig nur an der Oberfläche. Ich wünsche mir dann immer: Hey, wenn dich das Thema berührt hat oder anspricht, informiere dich doch auch ein wenig (oder viel) darüber. Im Idealfall schaffe ich mit meinen Texten Offenheit und Nährboden für gegenseitiges Verständnis. Und das zu schaffen, fällt mir immer wieder schwer, aber es ist immer der Anspruch, mit dem ich an eine Geschichte herangehe.
Ist ein zweiter Band/eine Fortsetzung geplant? (Die einzig richtige und akzeptierte Antwort ist übrigens ja
:-D)
Uff. Die Frage nach einer möglichen Fortsetzung. Hmmm. Also, ich müsste lügen, wenn ich behaupten würde, nicht während des Schreibens selbst schon darüber nachgedacht zu haben. Aber ich wollte nie ein offenes Ende schreiben. Daher ist »Ruf der Rusalka« ein Einzelband und kann auch immer als solcher gelesen werden.
Ideen für eine weitere Geschichte mit den liebgewonnenen Charakteren wären natürlich da. Aber aktuell ist es noch ein wenig früh, um zu sagen, was ich als nächstes schreibe. Und am Ende signalisieren die Leser ja auch, ob sie sich eine Fortsetzung wünschen.
Schreibst du denn gerade wieder an etwas?
Aktuell schreibe ich an keinem konkreten Projekt. Ich sammle noch verschiedene Ideen in meinen Notizbüchern. Das ist nach abgeschlossenen Projekten bei mir meistens so. Ich halte mein Gesicht in den Wind und schaue dann, welches Projekt daran kleben bleibt. 😉
Vermutlich nehme ich den NaNoWriMo als Startschuss für einen neuen Roman.
Vielen lieben Dank Stephan, für das tolle Interview!
Es hat mir sehr viel Spaß gemacht!
Ihr seid neugierig geworden auf „Ruf der Rusalka“ und würdet das Buch gerne selber lesen?
Dann versucht doch euer Glück bei dem Gewinnspiel auf meiner Facebook Seite!
Ich hoffe euch hat das Interview Spaß gemacht und euch haben die Fragen gefallen!
Wir lesen uns bald!
Alles Liebe,
Sonja


